Zwischen Fortschritt und Profit: Digitalisierung im Gesundheitswesen
Die radikale Abschaffung von Papierrezepten oder das weltweite Wissen über Medizin gebündelt in einem Programm – die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist weltweit in vollem Gange und soll die medizinische Behandlung verstärkt an die individuellen Bedürfnisse der Patienten anpassen. Aber große Fortschritte bergen auch Gefahren und so steht für manche Akteure, in diesem äußerst unübersichtlichen Markt, nicht nur das Patientenwohl im Vordergrund.
Digitalisierung im Gesundheitswesen in Deutschland noch gehemmt
„Technisch wäre viel mehr möglich, aber durch berufs- und datenschutzrechtliche Hürden, wird die Vernetzung innerhalb der Akteure des Gesundheitswesens in Deutschland noch blockiert", berichtet Ekkehard Mittelstaedt, Geschäftsführer des Bundesverbandes Gesundheits IT e.V. „Beim Thema Forschung und Entwicklung ist Deutschland allerdings Vorreiter: Auch einige Krankenkassen haben das Potenzial von mobilen Gesundheitsanwendungen für sich entdeckt", erklärt Mittelstaedt weiter. Genauer bedeutet das: Apps auf Rezept. Die Barmer GEK erstattet eine App, die Kindern hilft ihre Augen bei einer funktionalen Sehschwäche zu trainieren und die Techniker Krankenkasse übernimmt die Kosten für eine App, die für Tinnitus-Patienten die individuelle Tinnitusfrequenz aus ihrer Musik herausfiltert.
Weltweite Vernetzung
In Zukunft wäre auch ein professionelles Monitoring von Patientendaten denkbar: „Diabetiker zeichnen beispielsweise ihre Blutzuckerwerte von zu Hause aus auf oder Patienten mit einer Hypertonie messen regelmäßig ihren Blutdruck. Diese Werte werden digital in ein Programm eingespeist. Treten Unregelmäßigkeiten auf, alarmiert das Programm den behandelnden Arzt und dieser kann dann Behandlungsschritte veranlassen", berichtet Mittelstaedt. „Ein Meilenstein wird es sein, wenn es gelingt, Hausarzt, Facharzt, Krankenhaus und Pflegeeinrichtungen sicher miteinander zu vernetzen und über den aktuellen Behandlungsstand eines Patienten gleichberechtigt zu informieren. Auch Videokonferenzen, zu denen unterschiedliche Spezialisten, auch weltweit, mit dem Patienten kommunizieren sind denkbar", erläutert Mittelstaedt weiter.
Sicherheit der Patientendaten
Was hier für die Zukunft angestrebt wird, steckt in der Gegenwart allerdings noch in den Kinderschuhen. Beispielsweise braucht die neue Gesundheitskarte noch einen großen Entwicklungsschub und hat genauso viele Befürworter wie Gegner. Allgemeine Standards fehlen auch bei tausenden Gesundheits-Apps, die derzeit von Smartphone-Nutzern am häufigsten heruntergeladen werden. Diese Anwendungen bergen nicht nur Gefahren in Bezug auf fehlgeleitete medizinische Informationen, sie weisen auch eine äußerst geringe Datensicherheit auf. Gesundheitsdaten sind kostbarer als die Daten einer Kreditkarte: das Konto kann man wechseln, chronische Krankheiten, Medikamenteneinnahme und Therapien – diese Daten sind beständig und äußerst sensibel. Genau dieser Umstand hat in der Vergangenheit bereits mehrere Hackerangriffe zur Folge gehabt. Google und Apple haben bereits Gesundheitsanwendungen und Tracker herausgebracht und auch andere Anbieter haben großes Interesse am Markt Gesundheitswesen. Bei allem Fortschritt muss bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen die Datensicherheit gewährleistet sein, denn das Streben nach Selbstoptimierung und das Einspeisen intimster Daten der Nutzer, kann hier ganz schnell und ungefiltert von Dritten zur Profitmaximierung missbraucht werden.