Knarzende Geräusche, Papierstau und Patrone leer – diese alltäglichen Probleme mit unseren Druckern ähneln Verhältnissen aus dem Mittelalter, wenn man sich genauer anschaut, was heute alles gedruckt werden kann: Möbel, Kleidung und Schokolade kann alles problemlos im 3D-Drucker angefertigt werden. In nicht allzu ferner Zukunft sollen diese Drucker sogar funktionstüchtige künstliche Organe herstellen können.
Was sich anhört wie Science Fiction soll, laut Dr. Lothar Koch, bereits im Jahr 2050 möglich sein. Der promovierte Physiker ist Teamleiter der Gruppe Biofabrikation am Laser Zentrum Hannover. „Prothesen aus dem 3D-Drucker gehören heute schon zum Alltag", erzählt er uns. Generell, wenn es um das Herstellen individuell angepasster Prothesen geht, ist das Verfahren des 3D-druckens optimal. „Bei komplexen Operationen werden heutzutage auch CT Scans in Originalgröße ausgedruckt, um die OP bestmöglich planen zu können", erklärt Dr. Koch.
Aber wie können künstliche Organe mit einem Drucker hergestellt werden?
Bisher sieht das so aus: Menschliche Zellen werden entnommen und mit einem Gel vermischt, welches menschliche Proteine enthält oder auch in dieser Form im menschlichen Körper vorkommt, wie beispielsweise Kollagen. Es werden viele winzige Tropfen Gel mit enthaltenen Zellen in 3D-Muster gedruckt. Innerhalb weniger Tage verbinden sich die Zellen zu Gewebeverbänden. „Derzeit werden diese Gele optimiert und weiterentwickelt. Ziel ist es, eine Beschaffenheit zu erlangen, die vom menschlichen Körper nicht abgestoßen wird", erläutert Dr. Koch. Detailliertere Informationen zum Druckverfahren finden sich auch im Artikel Organe aus dem Drucker – Dreidimensionales „Zell-Drucken" zur Erzeugung biologischen Gewebes von Herrn Dr. Koch.
Voll funktionstüchtige Organe wurden allerdings bisher nicht gedruckt. Auch wenn es in diesem Video so scheint, ist die Niere lediglich eine Simulation.
Unstimmigkeiten in Theorie und Praxis
Um funktionierende künstliche Organe drucken zu können, muss die Komplexität des menschlichen Körpers noch eingehender erforscht werden: „In der Niere gibt es beispielsweise Zellen, deren Funktion der Wissenschaft noch gar nicht genau bekannt ist", erklärt Dr. Koch. „Zellen reagieren stark auf ihre Umgebung. Was in der Theorie funktioniert, muss keinesfalls in der Praxis klappen. Für die Herstellung von Organen werden zwar körpereigene Zellen des Patienten verwendet, allerdings können wir noch nicht sagen, ob der Körper die für das Druckverfahren umgewandelten Zellen annimmt oder diese gar in Krebszellen entarten", macht Dr. Koch deutlich. Es bedarf also noch jeder Menge Forschung, um garantieren zu können, dass künstliche Organe aus dem 3D-Drucker im menschlichen Körper auch tatsächlich die körpereigenen Organe vertreten können.
Organfabriken sind denkbar
Auch technisch ist es, laut Dr. Koch, noch ein weiter Weg bis künstliche Organe in Klinken zum Einsatz kommen können: „Wenn es gelingt Organe zu drucken, muss der Herstellungsprozess automatisiert werden. Bisher werden die benötigten Zellen in Handarbeit gezüchtet und auch der Drucker wird per Hand befüllt." Er prognostiziert, dass es in Zukunft Fabriken geben wird, in denen einzelne Organe hergestellt werden – Herz-, Lungen- oder Nierenfabriken beispielsweise. Die Kosten für die Errichtung dieser hochtechnologisierten Betriebe würden wohl im neun- bis zehnstelligen Bereich liegen. Dennoch wird sich diese Investition rentieren, denn im Gegenzug sind Alternativen, die die Versorgung von Patienten mit kranken Organen sicherstellen, ebenfalls kostenintensiv.
Ärzte warten gespannt
„Von Ärztinnen und Ärzten bekommen wir durchgehend positive Reaktionen auf unsere Forschung, da durch gedruckte Organe dem Mangel an Spenderorganen entgegengewirkt werden kann", berichtet Dr. Koch. Auch Tierversuche wären durch das Drucken von künstlichen Organen überflüssig. Noch sind Organe aus dem 3D-Drucker weit von der heutigen medizinischen Praxis entfernt, doch die Wissenschaft ist zuversichtlich, dass es bald möglich sein wird, funktionsfähige Organe herzustellen.