Die DGRh fordert: Neue Rheumatologen braucht das Land!
Rheuma? Da denken viele an gebückte ältere Leute mit Gelenkschmerzen. Doch dieses Bild ist längst überholt! Rheumapatienten können heute viel freier leben als noch vor einigen Jahren – allerdings nur, wenn die Krankheit früh genug behandelt wird.
Rheuma betrifft Alt und Jung
Entgegen den meisten Vermutungen bezieht sich Rheuma nicht nur auf Gelenkschmerzen sondern ist ein Sammelbegriff für mehr als 100 verschiedene entzündliche Erkrankungen. Neben dem Befall von Knochen, Gelenken, Bindegewebe oder Blutgefäßen, können auch die Haut, innere Organe und das Nervensystem unter rheumatischen Krankheiten leiden. Meist sind Frauen und Männer betroffen, die bereits das 40. Lebensjahr überschritten haben, aber auch Kinder können an Rheuma leiden. Dabei spielt Vererbung eine wichtige Rolle, auch seelischer Stress, Fehl- oder Überbelastungen und vor allem Störungen des Immunsystems können Ursachen für eine rheumatische Erkrankung sein. Die genauen Auslöser für Rheuma sind allerdings noch weitgehend unbekannt. Demnach können rheumatische Erkrankungen auch nicht vollständig geheilt werden. Mittlerweile gibt es aber effektive medikamentöse Behandlungen und Therapien, die die Entzündungen bei einer rechtzeitigen Behandlung stoppen oder verlangsamen können.
Rheumatologen restlos überfordert
Hier befindet sich aber das zentrale Problem: Es gibt in Deutschland nur halb so viele Rheumatologen wie eigentlich gebraucht werden. Kein Wunder, denn nur 7 von den über 30 Universitäten und medizinischen Hochschulen verfügen über einen Lehrstuhl Rheumatologie, d.h. nur ein Viertel der Medizinstudenten wird rheumatologisch so ausgebildet, wie es das Studium eigentlich vorgibt. Statistisch gesehen ist derzeit ein internistisch-rheumatologischer Facharzt für 100.000 Einwohner zuständig. Im Durchschnitt warten Patienten mindestens 3 Monate, häufig sogar 6-9 Monate, auf einen Behandlungstermin. Alarmierend, denn nur bei einer frühzeitigen Behandlung kann Rheuma effektiv behandelt werden. Genau gegen diese Missstände will die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) vorgehen! Seit mehr als 80 Jahren vertritt sie die rheumatologische Wissenschaft und Forschung in Deutschland, stets unabhängig von wirtschaftlichen Interessen. Derzeitiger Präsident der Fachgesellschaft ist Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner. Er ist Lehrstuhlinhaber für Rheumatologie an der Justus-Liebig Universität Giessen und Chefarzt der Abteilung für Rheumatologie und Klinische Immunologie der Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim, einer Kleinstadt zwischen Gießen und Frankfurt am Main mit einer langen Tradition rheumatologischer Versorgung. „Naturgemäß ist der amtierende Präsident der Fachgesellschaft der erste Ansprechpartner für alle Anfragen und Hauptkoordinator aller unserer Zielsetzungen. Aber natürlich erledige ich nicht alles allein. Wir sind ein tolles Team in der Fachgesellschaft!", so Prof. Dr. Müller-Ladner.
Nachwuchsförderung hat Priorität
Die Fachgesellschaft will mit gezielten Programmen und Maßnahmen den Nachwuchs in der Rheumatologie steigern und das rheumatologische Know-How in Form von Aus- und Weiterbildungen stetig verbessern. „Studierenden bieten wir jedes Jahr die Möglichkeit kostenlos an unserem Studentenprogramm auf der Jahrestagung teilzunehmen", erzählt Präsident Prof. Dr. Müller-Ladner. Im Rahmen der Rheuma-Summer-School können 20 Studierende mit Interesse an Immunologie und der Inneren Medizin kostenlos eine Woche lang von führenden Wissenschaftlern und Ärzten einen fundierten Einblick in die Fachdisziplin bekommen. Um dem geringen Ausbildungsangebot kurzfristig entgegenzuwirken hat die DGRh in Zusammenarbeit mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg einen E-Learning Kurs für interessierte Studierende aus fortgeschrittenen Semestern entwickelt, die sich für das Fachgebiet interessieren, an ihrer Hochschule aber keinen Lehrstuhl haben.
Die Rheumaakademie schließt alle Wissenslücken
„Die Fachgesellschaft ist bemüht für jeden Aus- und Fortbildungsschritt Angebote bereitzustellen", betont Prof. Dr. Müller-Ladner. Eine wichtige Institution ist hier die Rheumaakademie. Sie wurde 2004 von der DGRh und dem Berufsverband Deutscher Rheumatologen gegründet. Inzwischen wirken auch andere wichtige Rheuma-Verbände, vor allem die Kinderrheumatologen und die orthopädischen Rheumatologen, mit und organisieren im Verbund viele Fort- und Weiterbildungen innerhalb des Fachgebietes, vor allem aber den Jahreskongress als zentralen Ausgangspunkt für Neuigkeiten. Gemeinsam wollen sie durch Fortbildungen, der Organisation von Kongressen und Veranstaltungen und der Vergabe von Stipendien das Bewusstsein für rheumatologische Krankheiten in der Gesellschaft verbessern und dem akuten Mangel an Rheumatologen entgegenwirken! Die Angebote der Rheumaakademie reichen vom Studium bis zur rheumatologischen Chefetage. „Wir sind stets bemüht alle Wissenslücken, die man im Fachbereich haben kann, mit unseren Angeboten zu füllen.", berichtet Prof. Dr. Müller-Ladner.
Stetige Verbesserung durch Ausbau und Forschung
Hierzu wurden auch mehrere wissenschaftliche Initiativen unter Führung von Rheumatologen gestartet, um die Geheimnisse rheumatischer Erkrankungen noch besser verstehen zu können, z.B. das DFG Schwerpunktprogramm Immunobone, das die Beziehungen zwischen Immunsystem und Knochen aufdeckt, BMBF-geförderte klinische Studien wie Hit Hard, das die Wirkung eines frühen Einsatzes von biologischen Wirkstoffen bei der rheumatoiden Arthritis untersucht oder das EU geförderte Projekt DeSScipher zur Entschlüsselung der Wirkung von Therapieverfahren bei der Systemischen Sklerose.
Als langfristige Ziele der Fachgesellschaft nennt uns der Präsident:
- Verbesserung der Ausbildungsdefizite durch ein umfangreiches Programm an Fort- und Weiterbildungen
- Anstieg der Lehrstühle für Rheumatologie an deutschen Hochschulen bewirken, um im Rahmen des demografischen Wandels die steigende Patientenzahl behandeln zu können
- Erschaffung von nationalen und europaweiten Leitlinien für die Rheumatologie und die Sicherstellung der Qualität
- Verbesserung der wissenschaftlichen Basis für neue Entwicklungen durch Einwerbung von neuen rheumatologischen Sonderforschungsbereichen, v.a. bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Europäischen Union.